Last Updated on 17. April 2025 by Milena Brandt
Neulich habe ich eine Szene beobachtet, die mich zum Schmunzeln – und gleichzeitig zum Nachdenken gebracht hat. Ein kleiner Junge, vielleicht fünf Jahre alt, lief neben seiner Mutter auf dem Bürgersteig. Fröhlich vor sich hinträllernd, total vertieft in seine eigene Welt. Ich fand’s ehrlich gesagt ziemlich süß.
Seine Mutter eher nicht. Sie wirkte etwas gestresst und sagte:
„Du musst jetzt damit aufhören, ich hab Hunger und wir wollen jetzt essen gehen.“
Der Junge ließ sich nicht beeindrucken – das Lied ging weiter. Dann:
„Hör jetzt damit auf, sonst kannst du nicht mit ins Restaurant.“
Ich dreh mich zu meinem Mann und sag: „Die Aussage bringt gar nichts.“
Er: „Warum?“
Ich: „Na, was ist, wenn er gar keinen Hunger hat und nicht ins Restaurant will? Dann singt er erst recht weiter.“
Und ganz ehrlich: Der Junge hätte auch gut mein eigener Sohn sein können. Ich hab selbst drei Kinder – meine Tochter ist fast 9, mein Sohn 5 und die Jüngste gerade mal 21 Monate. Ich kenne diese Situationen also nicht nur vom Zusehen, ich stecke mitten drin. Und ich erwische mich regelmäßig dabei, selbst solche Sätze rauszuhauen. Einfach, weil der Alltag manchmal laut, chaotisch und fordernd ist – und man sich wünscht, dass es jetzt sofort funktioniert.
Aber warum funktionieren solche Aussagen so selten?
Weil Kinder ziemlich genau spüren, ob eine Drohung echt ist – oder nur eine leere Hülle. Wenn ich sage: „Dann kommst du nicht mit ins Restaurant“, aber weiß, dass ich das niemals durchziehen würde (weil was soll ich machen, ihn allein draußen lassen?), dann verliert diese Aussage komplett an Wirkung.
Noch dazu: Wenn ich aus meinem eigenen Bedürfnis heraus spreche („Ich hab Hunger“), fühlt sich das Kind nicht gesehen. Es geht dann nicht mehr um Verbindung, sondern nur noch ums Funktionieren. Und das funktioniert halt meistens nicht.
Was hätte besser funktioniert?
Etwas wie:
„Ich weiß, du hast Spaß beim Singen. Aber im Restaurant ist es wichtig, dass wir ruhig sind. Wenn du mir jetzt zeigst, dass du das schaffst, suchst du dir nachher dein Getränk aus.“
Oder:
„Wir bleiben kurz stehen. Wenn du fertig bist mit Singen, gehen wir weiter. Im Restaurant wird’s dann leise, okay?“
Beide Varianten zeigen: Ich sehe dich – aber ich setze auch einen Rahmen. Und das auf eine Art, die ich selbst tragen kann.
Mein Fazit:
Manchmal sind’s nur ein, zwei unbedachte Sätze – und plötzlich stecken wir in einer Sackgasse. Ich versuche inzwischen, mir selbst öfter auf die Zunge zu beißen, durchzuatmen, und nur das zu sagen, was ich auch wirklich meine. Klappt nicht immer. Aber immer öfter.